Gletscher-Traillauf: ein etwas anderer Wettkampf

Obergurgl. „Wenn du jetzt noch bergab laufen könntest, wärst du Weltklasse!“, kommentierte ein Konkurrent die Leistung der SG-Wenden-Läuferin Steffi Osthoff, die zusammen mit vier weiteren Teamkameraden am Gletscher-Trail im Ötztal teilnahm. Dabei konnten zwei Wendener sogar Pokale mit ins vergleichsweise flache Sauerland bringen.

Im vergangenen Herbst kam – initiiert durch Fabian Jenne – die Idee auf, an einem Trailrennen teilzunehmen. Die Wahl fiel auf den Gletscher-Trail im Ötztal, denn dort wurden vom Einsteigerlauf über 14 km bis zur 62-km-Ultrastrecke gleich vier mögliche Distanzen angeboten.
Fabian Jenne, Christian Rüsche und Steffi Osthoff entschieden sich für die 26 km mit rund 1900 Höhenmetern. Sandra Clemens startete über 14 km mit 800 Höhenmetern. Thomas Bröcher, der sich zufällig und unabhängig von seiner Schwester ebenfalls bei diesem Rennen angemeldet hatte, wagte sich an die Königsdistanz: 62 km mit 3600 Höhenmetern.

 

Erstes Ziel der 262 Teilnehmenden über 26 km war das Ramolhaus auf 3006 m Höhe. Fabian Jenne, der als einziger der Gruppe bereits Traillauferfahrung mitbrachte, hatte sich eine vordere Platzierung vorgenommen – und startete entsprechend zügig.
Im Livestream, der im Start- und Zielbereich sowie über YouTube in alle Welt übertragen wurde, wunderten sich die Kommentatoren: Mit dem Namen konnten sie zunächst nichts anfangen.

Die ersten 1200 Höhenmeter mussten auf rund 8 km bis zum Verpflegungspunkt am Ramolhaus überwunden werden. Dort lag Fabian bereits auf Platz 2 – und musste im folgenden Downhill noch einen weiteren Konkurrenten passieren lassen. Auf der Gegensteigung zur Hohen Mut Alm (2670 m) konnte er Zeit gutmachen, verlor jedoch im finalen Abstieg nach Obergurgl wieder etwas an Boden. Am Ende freute er sich nach einer Zeit von 3:29:32 h über einen fantastischen dritten Platz in der Gesamtwertung. „Das war das härteste Rennen, das ich je gemacht habe“, gab er erschöpft, aber glücklich zu Protokoll. „Den Leistungsverlust durch die dünne Luft hatte ich in dem Ausmaß nicht erwartet.“ Recherchen zufolge muss man ab 2000 m Höhe mit etwa 10 % Leistungsverlust rechnen, in 3000 m Höhe sogar mit bis zu 20 %.

Steffi Osthoff und Christian Rüsche kamen gemeinsam nach 4:35:51 h ins Ziel.
Völlig überrascht wurde die Ottfingerin bei der Siegerehrung im beeindruckenden Ambiente des Kongresszentrums Gurgl Carat auf das Podest gerufen: Platz 3 in der Hauptklasse. „Am Ramolhaus riefen sie mir zu, dass ich Dritte im Frauenrennen sei – bergab haben mich dann einige überholt, aber bergauf konnte ich wieder aufholen. Es war ein ständiges Hin und Her.“

Etwas Pech hatte Christian Rüsche: An einer Eisenklammer, die zur Steighilfe auf steilen Passagen im Fels diente, verletzte er sich und lief fortan mit einer offenen Wunde am Schienbein weiter. 
Am letzten Verpflegungspunkt, der Hohen Mut Alm, lief Steffi zu ihm auf und gemeinsam nahmen sie die letzten 8 km in Angriff. „Zusammen war es einfacher, sich noch einmal zu motivieren und besonders für die Bergabpassagen konzentriert zu bleiben – da waren wir schließlich schon über dreieinhalb Stunden unterwegs.“ Am Ende steht ein toller 28. Platz für ihn zu Buche.

 

Trotz der Belastung blieb auch ein bisschen Zeit, das beeindruckende Bergpanorama bei nahezu idealen Laufbedingungen zu genießen:

Sandra Clemens erreichte bei ihrem ersten Traillauf nach 2:11:35 h das Ziel. Ihre Strecke führte mit einem 6,5 km langen Anstieg direkt zur Hohen Mut Alm – und anschließend fast ausschließlich bergab.
„Am höchsten Punkt lag ich auf Platz 7 bei den Frauen – bergab haben mich dann bestimmt 50 Leute überholt“, berichtet sie. „Ich wollte aber kein großes Risiko eingehen und vor allem heil ankommen.“

Im Ziel warteten die vier auf Thomas Bröcher, der sein Abenteuer auf der 62-km-Strecke um 2 Uhr nachts begonnen hatte.
Dort gehörten Stirnlampe, warme Ersatzkleidung, Regenjacke, Erste-Hilfe-Set und 1,5 l Flüssigkeit zur vorgeschriebenen Pflichtausrüstung – ebenso wie ein guter Ernährungsplan. „Ich habe unterwegs 15 Energiegels genommen. Am Ramolhaus gab’s erstmal eine sehr salzige Suppe, und an jeder Verpflegungsstation noch Kleinigkeiten“, erzählt Thomas.

 

Nach 13 Stunden und 21 Minuten für schließlich 58 km - die Strecke wurde wegen Gewitterwarnung leicht verkürzt – wurde er in Obergurgl von seiner Familie und dem restlichen Team in Empfang genommen.

 

Neben einer ganz neuen Lauferfahrung in beeindruckender Bergkulisse nahmen die Wendener Athleten auch ordentlichen Muskelkater und einen klaren Trainingsauftrag mit nach Hause: „Wir müssen mehr bergablaufen üben …“

 

 

SC